Gemeinsam stark

Eine zweite Grüne Revolution mit Hilfe des Pflanzenmikrobioms

26.04.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mykorrhiza – die Symbiose zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzen -  ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit und Nährstoffversorgung beider Organismen. (Bildquelle: © Katrin Schulz / Pixabay)

Mykorrhiza – die Symbiose zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzen - ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit und Nährstoffversorgung beider Organismen. (Bildquelle: © Katrin Schulz / Pixabay)

Die richtige Mikroorganismengemeinschaft im Boden könnte Pflanzen ertragreicher und widerstandsfähiger machen - auch ohne chemischen Pflanzenschutz. Ist das ein Ansatzpunkt, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten? Ein neues Review gibt Antworten.

Ebenso wie Menschen besitzen auch Pflanzen ihr eigenes Mikrobiom - eine Gemeinschaft von Mikroorganismen, die die Pflanze besiedeln, vor allem im Wurzelbereich. Bekannt ist die Mykorrhiza, eine Symbiose von Pilzen und Wurzeln bestimmter Wirtspflanzen. Aber auch Bakterien stehen in Verbindung mit „ihrer“ Pflanze und unterstützten sie in ihrem Wachstum sowie im Kampf gegen Pathogene. In einem neuen Review hat ein Forschungsteam das bisherige Wissen über das pflanzliche Mikrobiom zusammengetragen.

Was kann das Mikrobiom?

Mit einem optimierten Mikrobiom könnten manche Probleme der modernen Landwirtschaft gelöst werden. In zahlreichen Studien zeigte sich, dass es …

  • … die Ernährungssicherheit verbessern kann, da es die Erträge steigert und die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Pathogene macht. Dadurch könnten Dünger und Pflanzenschutzmittel eingespart werden;
  • … helfen kann, die Nährstoffgehalte von Pflanzen zu erhöhen, zum Beispiel von Vitaminen, Antioxidantien und Spurenelementen und damit eine bessere Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu erreichen;
  • …. die Giftigkeit verschiedener Pflanzenstoffe wie Aflatoxine oder Schwermetalle verringert;
  • … mit Schwermetallen oder Mikroplastik kontaminierte Böden zumindest teilweise sanieren und für die Landwirtschaft wieder nutzbar machen kann.

Zwei-Wege-Kommunikation

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Das Gedeihen der Pflanzen hängt stark von der Zusammensetzung des Mikrobioms im Boden ab.

Das Gedeihen der Pflanzen hängt stark von der Zusammensetzung des Mikrobioms im Boden ab.

Bildquelle: © montemari / Pixabay

Um das volle Potential des Mikrobioms nutzen zu können, müssen seine Funktion sowie die vielfältigen Interaktionen mit der Pflanze noch detaillierter erforscht werden. Bekannt ist, dass Pflanzen gezielt um passende Mikroorganismen werben, indem sie spezielle chemische Substanzen in die Wurzelzone abgeben, um die gewünschten Mikroben anzulocken. Sie können ihr Mikrobiom bis zu einem gewissen Grad sogar an ihre Nachkommen vererben. Allerdings gibt es einige Hinweise, dass moderne Sorten teilweise diese Fähigkeit verloren haben. Auch das Immunsystem der Pflanzen hat einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms, da es nützliche Mikroben von Pathogenen unterschieden muss.

Im Gegenzug kommunizieren Mikroorganismen ebenfalls mit Pflanzen durch spezielle Signalsubstanzen, um die Wurzeln besiedeln zu können. Die Forscher:innen erachten dabei drei Gruppen von Mikroorganismen als besonders wichtig: Die Endophyten, Mykorrhiza und frei lebende nützliche Mikroben. Endophyten unterstützen Pflanzen insbesondere im Kampf gegen Pathogene, indem sie das pflanzliche Immunsystem auf lokaler oder systemischer Ebene aktivieren. Mykorrhizen helfen den Pflanzen vor allem bei der Aufnahme der limitierten Nährstoffe Stickstoff und Phosphor, ebenso wie verschiedene freilebende Mikroben. Antibiotika-produzierende Mikroben können die Pflanzen ebenfalls gegen Pathogene unterstützen.

Drei Strategien für die Mikrobiom-Optimierung

Die Forscher:innen machen konkrete Vorschläge, wie das Mikrobiom an die Bedürfnisse der Pflanzen besser angepasst  werden kann und unterscheiden dabei drei grundsätzlich verschiedene Ansätze:

Bei der Einzelstamm-Modulation wird der Boden mit einer bestimmten nützlichen Organismengruppe beimpft. Diese Methode wird bereits mit Mykorrhiza-Pilzen angewendet.

Eine weitere Möglichkeit sind speziell komponierte, synthetische Gemeinschaften, mit denen der Boden beimpft wird. Um damit einen positiven Effekt zu erreichen, müssen Organismen ausgewählt werden, die sich gegenseitig gut ergänzen, die Pflanze effektiv besiedeln, eine stabile Gemeinschaft trotz sich ändernder Umwelteinflüsse bilden und gleichzeitig die bereits vorkommenden Mikroorganismen „übertrumpfen“ können.

Als dritte Möglichkeit schlagen die Studien-Autorinnen die Bearbeitung des natürlich vorkommenden Mikrobioms vor, sie nennen das „microbial community editing. Zum einen kann dies über die Pflanze selbst geschehen, etwa über eine veränderte Genregulation für wichtige Interaktionsfaktoren. So wäre eine der erfolgversprechendsten Maßnahmen für den Aufbau vorteilhafter Beziehungen eine Anpassung des Wirtsimmunsystems. Es gibt aber auch Hinweise, dass Pflanzen alleine durch Unterschiede z.B. bei bestimmten Transportersystemen wie für Nitrat die Mikrobengesellschaft signifikant verändern können. Eine weitere Möglichkeit ist es, die physikalischen und chemischen Eigenschaften sowie Nährstoff- und Wassergehalt des Bodens zu verändern. So konnten Studien zeigen, dass die Anreicherung des Bodens mit Saatgutmehl, Kompost oder Biokohle die Ausbreitung von pflanzenpathogenen Mikroben unterdrücken kann.                         

Zum „community editing“ zählen auch mögliche gentechnische „in situ“ Eingriffe bei den Mikroorganismen – also direkt im Boden. Damit könnten auch nicht-kultivierbare Mikroorganismen mit entsprechenden Eigenschaften für die Bildung einer optimierten Mikrobiomzusammensetzung ausgestattet werden. Als technische Grundlage kommen z.B. Verfahren mit der Genschere CRISPR/Cas, sogenannte konjugative Elemente von Bakterien sowie andere Vektoren in Frage. Allerdings ist eine solche Herangehensweise auch nicht ohne Risiko, da die Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Mikrobiom sehr komplex sind.

Zweite Grüne Revolution?

Die weitere Erforschung des pflanzlichen Mikrobioms hat auf jeden Fall das Potential für eine zweite Grüne Revolution, so die Forscher:innen. Während die erste Grüne Revolution Mitte des 20. Jahrhunderts zwar Ertragssteigerungen, aber auch durch einen verstärkten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittel Übernutzung und Verschmutzung der natürlichen Ressourcen mit sich brachten, kann eine zweite Grüne Revolution mit dem pflanzlichen Mikrobiom als Schlüsselfaktor deutlich nachhaltiger gestaltet werden - im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der UN. Allerdings steckt dieser Forschungsbereich eher noch in den Kinderschuhen.


Quelle:
Li, X. et al (2024): Rational management of the plant microbiome for the Second Green Revolution. In: Plant Communications 5, 8. April 2024. dx.doi.org/10.1016/j.xplc.2024.100812

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Titelbild: Mykorrhiza – die Symbiose zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzen -  ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit und Nährstoffversorgung beider Organismen. (Bildquelle: © Katrin Schulz / Pixabay)